Spruch des Tages – Donnerstag, den 06.11.2014

 

 

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Jetzt ist es Herbst

 

 

Jetzt ist es Herbst,

die Welt ward weit.

Die Berge öffnen ihre Arme

Und reichen dir Unendlichkeit.

Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,

Die Bäume sehen in den Staub,

Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.

 

Jetzt ist es Herbst,

Das Herz ward weit.

Das Herz, das viel gewandert ist,

Das sich verjüngt mit Lust und List,

Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen

Und Blicke mit dem Staube tauschen.

Es hat geküsst, ahnt seine Frist,

Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.

 

 

Max Dauthendey, 1867 – 1918

 

 

 

Spruch des Tages – Mittwoch, den 05.11.2014

 

 

Spruch des Tages 05.11.2014

 

 

 

 

Herbstklage

 

 

Holder Lenz, du bist dahin!

Nirgends, nirgends darfst du bleiben!

Wo ich sah dein frohes Blühn.

Braust des Herbstes banges Treiben.

Wie der Wind so traurig fuhr

Durch den Strauch, als ob er weine;

Sterbeseufzer der Natur

Schauern durch die welken Haine.

Wieder ist, wie bald! Wie bald!

Mir ein Jahr dahingeschwunden.

Fragend rauscht es aus dem Wald:

“Hat dein Herz sein Glück gefunden?”

Waldesrauschen, wunderbar

Hast du mir das Herz getroffen!

Treulich bringt ein jedes Jahr

Welkes Laub und welkes Hoffen.

 

Nikolaus Lenau, 1802 – 1850

 

 

 

 

Spruch des Tages – Dienstag, den 04.11.2014

 

 

Regen Regen Regen 001

 

 

 

 

Es ringt der Regen mit dem Winde

 

 

Es ringt der Regen mit dem Winde,

Es ringt der Segen mit dem Fluch,

Es ringt das Alter mit dem Kinde,

Es ringt die Sage mit dem Buch.

 

Es kämpft die Tugend mit dem Bösen,

Es kämpft die Arbeit mit dem Gold,

Es kämpft ein jeglich, jeglich Wesen:

Ob es, und ob es nicht gewollt!

 

 

 

Friederike Kempner, 1836 – 1901

 

 

 

 

Spruch des Tages – Montag, den 03.11.2014

 

 

Spruch des Tages 02.11.2014

 

 

 

 

Der letzte Baum

 

 

 

So wie die Sonne untergeht,

Gibt´s einen letzten Baum,

Der, wie in Morgenflammen, steht

Am fernsten Himmelssaum.

 

Es ist ein Baum und weiter nichts.

Doch denkt man in der Nacht

Des letzten wunderbaren Lichts,

So wird auch sein gedacht.

 

Auf gleiche Weise denk ich dein,

Nun mich die Jugend lässt,

Du hältst mir ihren letzten Schein

Für alle Zeiten fest.

 

 

Friedrich Hebbel, 1760 – 1826

 

 

 

Spruch des Tages – Sonntag, den 02.11.2014

 

 

 

 

 

Herbst

 

 

 

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

Als welkten in den Himmeln ferne Gärten,

Sie fallen mit verneinender Gebärde.

 

Und in den Nächten fällt die schwere Erde

Aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

 

Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, der  dieses Fallen

Unendlich sanft in seinen Händen hält.

 

 

 

Rainer Maria Rilke, 1875 – 1926

 

 

 

Spruch des Tages – Samstag, den 01.11.2014

 

 

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Abschiedslied der Zugvögel

 

 

 

Wie war so schön doch Wald und Feld!

Wie traurig ist anjetzt die Welt!

Hin ist die schöne Sommerzeit

Und nach der Freude kam das Leid.

 

Wir wussten nichts von Ungemach,

Wir saßen unterm Laubesdach

Vergnügt und froh im Sonnenschein

Und sangen in die Welt hinein.

 

Wir armen Vögel trauern sehr:

Wir haben keine Heimat mehr,

Wir müssen jetzt von hinnen flieh´n

Und in die weite Fremde zieh´n.

 

 

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798 – 1874