Herbstklage
Holder Lenz, du bist dahin!
Nirgends, nirgends darfst du bleiben!
Wo ich sah dein frohes Blühn.
Braust des Herbstes banges Treiben.
Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine.
Wieder ist, wie bald! Wie bald!
Mir ein Jahr dahingeschwunden.
Fragend rauscht es aus dem Wald:
“Hat dein Herz sein Glück gefunden?”
Waldesrauschen, wunderbar
Hast du mir das Herz getroffen!
Treulich bringt ein jedes Jahr
Welkes Laub und welkes Hoffen.
Nikolaus Lenau, 1802 – 1850
Es ringt der Regen mit dem Winde
Es ringt der Regen mit dem Winde,
Es ringt der Segen mit dem Fluch,
Es ringt das Alter mit dem Kinde,
Es ringt die Sage mit dem Buch.
Es kämpft die Tugend mit dem Bösen,
Es kämpft die Arbeit mit dem Gold,
Es kämpft ein jeglich, jeglich Wesen:
Ob es, und ob es nicht gewollt!
Friederike Kempner, 1836 – 1901
Der letzte Baum
So wie die Sonne untergeht,
Gibt´s einen letzten Baum,
Der, wie in Morgenflammen, steht
Am fernsten Himmelssaum.
Es ist ein Baum und weiter nichts.
Doch denkt man in der Nacht
Des letzten wunderbaren Lichts,
So wird auch sein gedacht.
Auf gleiche Weise denk ich dein,
Nun mich die Jugend lässt,
Du hältst mir ihren letzten Schein
Für alle Zeiten fest.
Friedrich Hebbel, 1760 – 1826
Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
Als welkten in den Himmeln ferne Gärten,
Sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, der dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke, 1875 – 1926
Abschiedslied der Zugvögel
Wie war so schön doch Wald und Feld!
Wie traurig ist anjetzt die Welt!
Hin ist die schöne Sommerzeit
Und nach der Freude kam das Leid.
Wir wussten nichts von Ungemach,
Wir saßen unterm Laubesdach
Vergnügt und froh im Sonnenschein
Und sangen in die Welt hinein.
Wir armen Vögel trauern sehr:
Wir haben keine Heimat mehr,
Wir müssen jetzt von hinnen flieh´n
Und in die weite Fremde zieh´n.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798 – 1874
Wie schön die Blätter älter werden.
Voller Licht und Farbe sind ihre letzten Tage.
John Burroughs, 1837 – 1921
Wofür es sich zu leben lohnt
Für das Rauschen des Meeres,
für das Funkeln der Sterne,
für das Leuchten in den Augen derer,
die wir lieben.
Für die Musik
und für den Tanz,
für die leisen Momente
und für das Innehalten im Trubel der Tage.
Für die Zärtlichkeit
und für die Sonne in unseren Herzen.
Für unsere unermüdliche Hoffnung.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors Jochen Mariss
www.jochenmariss.de
Der Verstand und das Herz stehen auf sehr gutem Fuße miteinander.
Eines vertritt oft die Stelle des anderen so vollkommen,
dass es schwer ist zu entscheiden,
welches von beiden tätig war.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach, 1830 – 1916
Im Herbst steht in den Gärten die Stille, für die wir keine Zeit haben.
Victor Auburtin, 1870 – 1928
Es ist heilsam, sich mit farbigen Dingen zu umgeben.
Was das Auge freut, erfrischt den Geist,
und was den Geist erfrischt, erfrischt den Körper.
Prentice Mulford, 1834 – 1891